Dienstag, 31. Oktober 2006

Ein antifaschistischer Kämpfer lebt nicht mehr

Gingold3Peter Gingold, antifaschistischer Widerstandskämpfer, Kommunist aus jüdischem Elternhaus, Internationalist starb am 29. Oktober in Frankfurt/M. im Alter von 90 Jahren.

Für Peter Gingold steht ein Motto "Résistance = Widerstand - ein Leben lang!" Geboren am 8. März im Kriegsjahr 1916 erlebte er in der Weimarer Zeit die Realität der sozialen Not und des Antisemitismus. Politische Überzeugung und Handeln war für ihn eines. So organisierte er sich schon früh in der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung und engagierte sich vor 1933 und nach der Machtübertragung an die NSDAP im antifaschistischen Kampf.
Verhaftet im Juni 1933 wurde er von den Nazis zur Emigration gezwungen. Er ging nach Paris, wo bereits seine Eltern und Geschwister lebten. Dort setzte er seinen antifaschistischen Kampf fort. Er gehörte zu den Gründern der überparteilichen "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) und wurde Mitglied der KPD. Hier lernte er auch Ettie Stein-Haller kennen, die er 1940 heiratete. Über sechzig Jahre lebten sie zusammen und haben sich gegenseitig in ihrer politischen Arbeit und Überzeugung gestützt und gestärkt.
Nach dem faschistischen Überfall auf Frankreich arbeiteten beide in der französischen Résistance. 1943 geriet Peter in die Fänge der Gestapo. Ihm gelang jedoch die Flucht. Im August 1944 nahm er am Aufstand zur Befreiung von Paris teil. Den 8. Mai 1945, "das Morgenrot der Menschheit", erlebte er bei den italienischen Partisanen in Turin.
Zurückgekehrt nach Frankfurt gehörten Peter und Ettie zu den Gründern der hessischen VVN und wirkte politisch in der KPD. Doch während Peter für seine antifaschistische Arbeit in Frankreich und Italien geehrt wurde, erlebte er in Deutschland lange Jahre gesellschaftliche Ausgrenzung. Als Widerstandskämpfer und Kommunist wurden ihm und seiner Frau viele Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. In Gefolge des KPD-Verbots musste Peter zeitweilig wieder in die Illegalität gehen. Später musste er erleben, dass man seine Tochter Sylvia wegen ihrer politischen Überzeugung mit Berufsverbot belegte.

All das hat ihn nicht abgehalten, sich für seine Vision von einer sozialen und menschenwürdigen Gesellschaft, frei von Krieg und Ausbeutung einzusetzen. Dass man dazu einen sehr langen Atem brauche, auch Rückschläge verkraften müsse, vermittelte er in zahllosen Gesprächen und Vorträgen, besonders gegenüber jungen Zuhörern. Und er forderte die jungen Leute auf, selber aktiv zu werden gegen Neofaschismus, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Dabei ging er mit gutem Beispiel voran bei zahllosen Aktionen gegen alte und neue Nazis, ob in Mittenwald, in Wunsiedel, in Frankfurt oder Berlin.
Peter Gingold war ein viel gefragter Redner, Gesprächspartner und Zeitzeuge, der politisch reflektiert, engagiert und persönlich authentisch historische Zusammenhänge vermitteln konnte. Er wurder eingeladen von Gewerkschaften oder der autonomen Antifa, von Universitäten oder der DKP und natürlich von der VVN-BdA, für die er in den letzten Jahren als Bundessprecher politisch aktiv war. Nicht zu vergessen seine Aktivitäten im Auschwitz-Komitee der BRD, gegen die Profiteure der Kriegsverbrechen - die IG-Farben in Abwicklung oder für den Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung 'Freies Deutschland' e.V. (DRAFD).
Hier - und das zeigte eindrucksvoll die Feier zu seinem 90. Geburtstag im Frankfurter DGB-Haus - erlebte er die Anerkennung, die ihm die bundesdeutsche Gesellschaft verweigert hatte.

Ulrich Schneider

Die Trauerfeier zu Ehren von Peter Gingold findet am Sonntag, 5. November in Frankfurt/M. um 11 Uhr im Gewerkschaftshaus, Wilhelm-Leuschner Str. 69-77, statt. Er selbst wird in Paris, im Familiengrab bei seiner Frau Ettie beigesetzt werden.

Veranstaltung

Die Revolution 1918/19 in Tübingen

Dienstag, 11. November 2008, 20.15 Uhr
Adolf-Schlatter-Haus, Österbergstr. 2, Kleiner Saal
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Zuletzt aktualisiert: 10. Nov, 16:25